schwerst erkrankt


Die Menschen, die zur Gruppe der schwersterkrankten ME-Patienten zählen, sind in einem Ausmaß beeinträchtigt, das man sich kaum vorstellen kann.

 

Schwersterkrankte sind rund um die Uhr bettlägerig. Vielen ist es nicht einmal mehr möglich, sich im Bett für wenige Minuten aufzusetzen. Das leichte Anheben des Kopfendes des Bettes kann bereits zur Bewusstlosigkeit führen.

 

Für Schwersterkrankte ist es nicht mehr möglich, sich innerhalb der Wohnung in verschiedenen Räumen aufzuhalten, da sie sich nicht mehr fortbewegen können. Ihr Leben findet ausschließlich in einem einzigen Zimmer statt. Das Benutzen eines Rollstuhls oder eines Liegerollstuhls ist meist nicht mehr möglich. Manche Schwersterkrankte können noch mit einem Rollstuhl zur Toilette geschoben werden, für andere ist dies jedoch nicht mehr möglich und sie benötigen eine Bettpfanne oder Windeln. In einigen Fällen tritt Inkontinenz durch Lähmung der Muskulatur auf.

 

Schwersterkrankte können keinerlei Sinnesreize mehr tolerieren und liegen dauerhaft in dunklen, lautlosen Räumen. Ihre Pflege muss in völliger Dunkelheit und Stille erfolgen. Es ist nicht möglich, dass das Pflegepersonal mit ihnen spricht, da Geräusche ihre Krankheit weiter verschlimmern. Viele Schwersterkrankte können selbst nicht mehr sprechen, manche können noch flüstern. Manche Familien kommunizieren mit ihren schwersterkrankten Angehörigen mit Handzeichen.

 

In manchen Fällen ist Pflege nur noch extrem eingeschränkt möglich: Extrem Schwererkrankte können nicht mehr gewaschen werden, man kann ihnen nicht mehr die Zähne putzen und nur im Abstand von mehreren Wochen die Kleidung wechseln. Allein die Pflegemaßnahmen sind für diese Menschen eine kaum zu tolerierende Anstrengung.

 

Manche Schwersterkrankten können normale Nahrung zu sich nehmen, wenn sie ihnen angereicht wird, andere aber können nicht mehr kauen und schlucken und werden mithilfe einer Sonde ernährt.

 

Schwersterkrankte leiden meist unter einer enorm großen Anzahl von Symptomen. Symptome, die die kognitiven Fähigkeiten einschränken, sind bei Schwersterkrankten oft sehr stark ausgeprägt.

 

Der Kontakt zur Außenwelt ist praktisch gar nicht mehr möglich, da sie keine Post oder Mails lesen bzw. schreiben können und auch telefonieren unmöglich ist. Freunde können nicht mehr zu Besuch kommen, da dies eine zu große Anstrengung, die zu einer weiteren Verschlechterung führt, bedeuten würde. Oft ist sogar der Kontakt innerhalb der Familie stark eingeschränkt. Wenn zum Beispiel mehrere Kinder einer Familie schwerst erkrankt sind und keines von ihnen das Bett verlassen und den Raum wechseln kann, kann es sein, dass sich Geschwister mehrere Jahre lang nicht sehen. Beschäftigungsmöglichkeiten haben Schwersterkrankte gar keine. Sie können weder Fernsehen noch Radio hören, können nicht lesen, kein längeres Gespräch führen.

 

Auch Kinder und Jugendliche können ME im schwersten Stadium haben. Sie sind wie die erwachsenen Schwersterkrankten auch gezwungen, im Dunkeln und völliger Stille zu liegen und ohne jede Möglichkeit zum Lernen oder zum Spielen die schweren Symptome ihrer Krankheit auszuhalten. Besonders hart ist der Verlust von Kontakten zu gleichaltrigen Kindern und die völlige Unmöglichkeit, die Welt zu erkunden, Erfahrungen in der Natur und mit anderen Menschen zu sammeln und eigene Fähigkeiten zu entwickeln.

 

Ein ME-Patient kann über Jahre, ja sogar Jahrzehnte hinweg schwerst erkrankt sein. Es gibt Berichte über Schwersterkrankte, die nach Jahren eine Besserung erfuhren, deren starke Symptome gemildert wurden und die einige Fähigkeiten wieder erlangten.

 

Ein enormes Problem ist die medizinische Versorgung, da Schwersterkrankte zu krank sind, um einen Arzt aufzusuchen. Selbst ein Liegendtransport zu einer Arztpraxis oder in ein Krankenhaus ist für viele dieser Patienten aufgrund der Erschütterungen und der Reizüberflutung nicht mehr möglich.

 

Der Dokumentarfilm „Perversely Dark“ schildert eindrucksvoll das Leben zweier schwersterkrankter junger Menschen.

 

 

Am 8. August gibt es einen Gedenktag für die Schwer-und Schwersterkrankten. Auf die Initiative einer jungen schwer erkrankten, mittlerweile verstorbenen Frau wird an diesem Tag an all jene gedacht, die ihre ME-Erkrankung dauerhaft ans Bett fesselt. Der Gedenktag soll darauf aufmerksam machen, dass mitten in unserer Gesellschaft Menschen gänzlich von den Blicken der Öffentlichkeit verborgen leben. Ebenso will der Gedenktag das Augenmerk darauf richten, zu welch grausamen Folgen eine ME-Erkrankung gerade auch bei jungen Menschen führen kann und das Bewusstsein für diese schwere, manchmal tödlich verlaufende Erkrankung schärfen.