FAQ

Den Texten der Rubrik FAQ diente das Buch „ME – Myalgische Enzephalomyelitis vs Chronic Fatigue Syndrom“ von Katharina Voss als Grundlage. Lesern, die weitergehende Informationen zu diesen Fragen wünschen, sei das Buch, das sämtliches Wissen zu ME bereitstellt und auch ein umfangreiches Quellenverzeichnis mit Hinweisen zu den Originalstudien bietet, empfohlen.

 

 

Wer erkrankt an ME?

 

Eine ME-Erkrankung kann Männer und Frauen jeden Alters sowie Kinder und Jugendliche treffen. Statistisch gesehen liegt das Alter bei Krankheitsbeginn vor allem zwischen 20 und 45 Jahren, wobei eine Studie von 2014 zu dem Schluss kommt, dass am häufigsten Jugendliche zwischen zehn und 19 sowie Erwachsene zwischen 30 und 39 Jahren an ME erkranken.

 

Bei Kindern erkranken gleich viele Mädchen wie Jungen, bei den Erwachsenen ist der Anteil der erkrankten Frauen höher als der der erkrankten Männer. Hierfür könnte unter anderem das weibliche Sexualhormon Östrogen verantwortlich sein, das einen Einfluss auf das Immunsystem hat und dadurch auch andere Krankheiten begünstigen kann.


 

Wie beginnt eine ME-Erkrankung?

 

In der Mehrzahl der Fälle beginnt die Myalgische Enzephalomyelitis mit einem Infekt, den die Betroffenen meist zunächst als harmlose Erkältung deuten, den sie aber im Nachhinein als das Ereignis identifizieren können, das sie von einem gesunden zu einem schwer kranken Menschen werden ließ. Einige Betroffene können sogar das genaue Datum nennen, an dem ihre ME-Erkrankung ausbrach.

 

Nach dem „Initialinfekt“ erholen sich manche wieder und fühlen sich gesund, um in der Folgezeit immer wieder von Rezidiven heimgesucht zu werden, wobei sich ihr Gesundheitszustand von Mal zu Mal verschlechtert, bis sich schließlich nach einigen Monaten das Vollbild einer ME manifestiert. Andere sind sofort schwer krank und werden durch ME von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben gerissen.

 

In manchen Fällen geht der ME kein Infekt voraus, sondern andere, den Körper belastende Ereignisse, zum Beispiel eine Impfung, eine Narkose oder nicht vertragene Medikamente.


 

Wie häufig tritt ME auf?

 

Es ist nicht leicht, verlässliche Daten zur Prävalenz von ME zu finden, da den Studien unterschiedlicher Diagnosekriterien zu Grunde liegen und damit schon per Definition verschieden große Gruppen erfasst werden. Die Prävalenzraten werden je nach Studie mit 0,11-0,42 % angegeben.

Für Deutschland wird eine Zahl von 300.000 ME-Patienten genannt. Ob diese Zahl jedoch zu niedrig angesetzt ist und man von wesentlich mehr Patienten ausgehen muss, weil viele Erkrankte auch Jahre nach Krankheitsbeginn noch keine korrekte Diagnose haben und deswegen in der Datenerfassung nicht auftauchen, oder aber ob diese Zahl zu hoch gegriffen ist und gar nicht so viele Patienten die eng gefassten Kriterien der International Consensus Criteria, die 2011 veröffentlicht wurden und zur Diagnosestellung genutzt werden sollten, erfüllen, bleibt offen.

Weltweit geht man von 17 Millionen ME-Erkrankten aus.


 

Ist ME heilbar?

 

Es gibt bis heute kein Heilmittel gegen ME. Zwar existieren verschiedene Medikamente wie zum Beispiel Rituximab oder Ampligen, die in Einzelfällen bei Patienten eine Symptomfreiheit erzielen konnten. Diese Medikamente wurden aber bisher nur in kleinen Studien getestet. Ihre Wirksamkeit bei einer größeren Patientenkohorte ist deswegen nicht bewiesen. Demzufolge sind diese Medikamente bei ME (noch) nicht zugelassen und für die Patienten, die so dringend auf eine Behandlung warten, nicht verfügbar.

 

Es gibt Fälle von Spontanheilungen, diese sind jedoch selten. Der überwiegend große Teil der ME-Patienten erfährt keine Heilung.


 

Ist ME ansteckend?

 

Diese Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten und kann auch nicht auf dem begrenzten Raum, wie diese Seite ihn bietet, umfassend dargelegt werden. In Kürze zusammengefasst lässt sich folgendes dazu sagen:

 

Es gibt einige Hinweise, die darauf schließen lassen, dass ME durch ein von Mensch zu Mensch übertragbares Pathogen ausgelöst wird. So sind zum Beispiel zahlreiche Ausbrüche von ME mit epidemischem Charakter, bei denen bis zu mehrere hundert Menschen innerhalb einer Gemeinde erkrankten, dokumentiert. Außerdem sind Fälle bekannt, in denen Menschen nach Erhalt einer Blutkonserve an ME erkrankten. Nachdenklich stimmt auch die Feststellung einer Studie, dass 5,1 % der Kinder mit einem erkrankten Elternteil sowie 3,2 % der Lebenspartner von ME-Patienten an ME erkranken und damit Menschen, die gemeinsam mit einem ME-Patienten in einem Haushalt leben, ein deutlich höheres Risiko für diese Krankheit haben als die Allgemeinbevölkerung.

 

Forscher haben in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart immer wieder Zeichen für retrovirale Aktivität oder sogar Sequenzen von Retroviren bei ME-Patienten – teilweise auch bei ihnen nahestehenden gesunden Personen – nachweisen können. Dabei bleibt aber ungeklärt, ob ein solches Retrovirus tatsächlich der Auslöser der ME ist. Versuche von Patienten, die antiretrovirale Medikamente einnahmen und dadurch eine Besserung ihres Leidens herbeiführen konnten, scheinen diese Theorie zu bestätigen, bewiesen ist sie aber nicht.

 

Trotz dieser Hinweise gibt es bisher keinen eindeutigen Beweis für die Übertragbarkeit der ME, denn bisher wurde noch kein Erreger identifiziert. Es ist anzunehmen, dass nicht jeder, der sich mit eben jenem noch nicht identifizierten Virus ansteckt, auch an ME erkrankt, sondern dass weitere Faktoren wie zum Beispiel eine bestimmte genetische Disposition oder Umweltfaktoren hinzukommen müssen, um eine ME auszulösen.

Mehr zum Thema Übertragbarkeit von ME findet sich in einem Blogbeitrag von Katharina Voss.

 

Die Frage, was ME auslöst und damit auch die Frage, ob ME ansteckend ist und wenn ja, wie eine Übertragung des Pathogens vonstatten geht und ob bereits die Infektion mit diesem Erreger ausreicht, um ME auszulösen oder ob weitere Faktoren vorhanden sein müssen, damit es zu ME kommt, ist noch ungeklärt.


 

Ist ME vererbbar?

 

ME ist keine Erbkrankheit. Sie wird nicht durch ein bestimmtes Gen eines erkranktes Elternteils an die Kinder weitergegeben. Dennoch tritt in manchen Familien ME gehäuft auf. Es gibt beispielsweise Familien, in denen die Mutter sowie ihre Kinder an ME erkrankt sind, oder in denen zwar die Eltern gesund sind, aber alle Geschwisterkinder erkranken – ebenso gibt es aber zahlreiche Familien mit nur einem einzigen an ME erkrankten Mitglied. Die in einigen, jedoch nicht in allen Familien vorkommende Häufung von ME lässt vermuten, dass eine genetische Disposition das Ausbrechen einer ME-Erkrankung zumindest begünstigen kann.

 

Laut einer Studie liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit einem erkrankten Elternteil, ebenfalls an ME zu erkranken, bei 5,1 % (d.h.: 94,9 % der Kinder mit einem erkrankten Vater oder einer erkrankten Mutter erkranken selbst nicht an ME) – und ist damit deutlich höher als die Häufung von ME in der Allgemeinbevölkerung, die mit 0,24-0,42 % angegeben wird. Ob dafür aber genetische Faktoren verantwortlich sind, ist unklar – immerhin erkranken laut dieser Studie auch Lebenspartner von ME-Patienten mit einer Wahrscheinlichkeit von 3,2

(siehe „Ist ME ansteckend?“).

 

Inwieweit genetische Einflüsse tatsächlich für eine ME-Erkrankung verantwortlich sind, wird die zukünftige Forschung zeigen.


 

Ist ME tödlich?

 

ME ist keine Erkrankung, die zwingend einen tödlichen Verlauf nimmt. Tatsächlich führt ME nur selten zum Tod, was angesichts der Schwere und Komplexität der Krankheit verwundert. Selbst Schwersterkrankte, deren Lebensqualität in etwa der von Krebskranken wenige Tage vor deren Tod entspricht, können in diesem schlimmen Zustand Jahre und Jahrzehnte überleben.

 

Dennoch kann ME zum Tode führen. Das Kanadische Konsensdokument nennt als Todesursache eine „progressive Degeneration der Organe, insbesondere Herzversagen und Versagen der Bauchspeicheldrüse“.

Viele ME-Patienten bekommen weitere schwere Erkrankungen, die dann zum Tode führen können. Vor allem tritt Krebs bei ME-Patienten gehäuft auf. Eine Studie stellte fest, dass ME-Patienten, die an Krebs sterben, statistisch gesehen 20 Jahre jünger sind als das durchschnittliche Mittel der an Krebs verstorbenen Menschen. Ähnlich verhält es sich bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Verglichen mit den Menschen der Allgemeinbevölkerung, deren Todesursache Herzversagen ist, sind ME-Patienten durchschnittlich 25 Jahre jünger, wenn sie an Herzversagen sterben.

 

Es sind auch einzelne Fälle bekannt geworden, wo ME-Patienten an banalen Infekten, die der geschwächte Körper nicht mehr bewältigen konnte, gestorben sind.

 

Alles in allem kann man davon ausgehen, dass ME-Erkrankte eine verkürzte Lebenserwartung haben.